Zwei nach Shanghai by Hansen Hoepner

Zwei nach Shanghai by Hansen Hoepner

Autor:Hansen Hoepner
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
Herausgeber: Piper ebooks
veröffentlicht: 2013-09-11T22:00:00+00:00


CHECKPOINTS / 21. JULI / KUDI

Hansen

»Hier müssen wir ab«, sagt Paul. Ein mulmiges Gefühl beschleicht mich, als wir auf die Straße nach Tibet fahren. Wir werden zwar mit großer Wahrscheinlichkeit abgewiesen, wollen aber dennoch 200 Kilometer bis zum ersten Checkpoint in Kudi fahren, um unser Glück auf die Probe zu stellen. »Wahrscheinlich sind wir in drei Tagen wieder hier«, antworte ich mit einem Grinsen, »aber dann haben wir es zumindest versucht!«

In Kargilik haben wir nur kurz unsere Vorräte für unseren Exkurs auf den 5200 Meter hohen Pass bei Mazar aufgestockt. Diesen Pass erklimmen wir nun, auf der Straße in das Land, für das wir keine Einreisegenehmigung haben: auf nach Tibet!

Nach 600 Höhenmetern und 60 Kilometern machen wir eine Mittagspause. Ständig begegnen uns chinesische Radfahrer, die im Gegensatz zu uns ohne Probleme an ein Tibet-Visum kommen. Vor dem Dorf, das wir noch durchqueren wollen, bevor wir uns einen Schlafplatz suchen, entdecken wir plötzlich einen Checkpoint.

Paul bremst vor mir ab: »Was jetzt?«, fragt er unsicher.

»Wie abgesprochen: ruhig drauf zu fahren, freundlich grüßen und gucken, was passiert. Aber nicht panisch abbremsen, Mann! Auffälliger geht’s ja wohl nicht«, gebe ich angespannt zurück.

Zügig und zielsicher fahren wir also weiter auf den Checkpoint zu. Ein Soldat tritt heraus, wir grüßen freundlich mit »Ni hau« und dürfen zu unserer Erleichterung einfach passieren. Wie immer schlägt mir das Herz bis zum Hals, langsam entfernen wir uns und schauen uns an: Wir haben beide gemerkt, dass die Kontrollen hier zunehmen. Aber tun wir bereits etwas Illegales, oder sind wir nur die Einzigen, die nicht auf die chinesischen Einschüchterungsversuche hereinfallen?

»Noch haben wir nichts Verbotenes gemacht«, versucht Paul zu relativieren.

Am 21. Juli stehen wir früh auf – heute wollen wir die 80 Kilometer bis zum Checkpoint Kudi schaffen. Alles ist nass vom Tau, und ich scheitere zum ersten Mal daran, ein Feuer zu entfachen. »Heute gibt’s keinen Kaffee«, teile ich Paul missmutig mit. Der Kaffee am Morgen ist ein fester Bestandteil des täglichen Rituals, und meine Ankündigung verbreitet entsprechend schlechte Laune. Als ob das noch nicht genug ist, verspüre ich ein wahnsinniges Ziehen im Kreuz, als ich mich wieder aufrichten will. Ich bleibe über dem Kocher gebückt stehen und halte mir den Rücken: »Scheiße, ich hab mich verrenkt!«, fluche ich laut.

Der Tag scheint gelaufen. Paul macht mir ein Lager in der Sonne zurecht und verpasst mir Schmerzmittel zur Entspannung. Während er Zelt und Schlafsäcke zum Trocknen auslegt, liege ich auf dem Rücken und versuche, eine bequeme Position zu finden, aber trotz der Schmerzmittel wird es nicht besser.

Nach etwa drei Stunden kann ich mich gar nicht mehr bewegen. Paul hockt stumm neben mir und starrt in die unwirkliche Landschaft, karge Berge, Sanddünen, kein Haus weit und breit. Ich sehe ihm seinen Unmut an, aber im Gegensatz zu mir lässt er ihn nicht an seinem kranken Gegenüber aus. Ich weiß ganz genau, was sein Blick bedeutet: Wenn wir Pech haben, müssen wir unseren Umweg nach Tibet vorzeitig abbrechen, um die Zeit zu sparen, die wir durch Hansens Hexenschuss verlieren. Und so kurz vor dem Ziel wäre das besonders schmerzhaft.



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